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Gerichtsverfahren: Ein Gerichtsverfahren ist der formale Prozess zur Beilegung eines Rechtsstreits vor einem Gericht. Es umfasst die Vorlage von Beweisen, die Vernehmung von Zeugen und die Argumente der Anwälte. Das Ziel eines Gerichtsverfahrens ist es, eine faire und gerechte Lösung für den Streitfall zu finden. Siehe auch Rechte, Recht, Gerechtigkeit.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Experimentelle Ökonomik über Gerichtsverfahren - Lexikon der Argumente

Parisi I 96
Gerichtsverfahren/Experimentelle Ökonomik/Sullivan Holt: In Anerkennung der kognitiven Beschränkungen der meisten Entscheidungsträger (vgl. Gigerenzer und Selten, 2001)(1) können - und werden bereits - Experimente entwickelt, um die Strategie und Praxis der Prozessführung und Anwaltschaft zu verbessern. Der Einsatz von Scheinjurys, Scheinprozessen und Schattenjurys zur Untersuchung von Juroreneinflüssen und der Überzeugungskraft verschiedener Rechtstheorien ist sowohl in der akademischen Forschung als auch in der Rechtspraxis weit verbreitet (vgl. Devine et al., 2000)(2). Diese Studien, die in vielerlei Hinsicht ökonomischen Experimenten ähneln, nähern sich dem Verständnis der Präferenzen der Geschworenen, der Aufmerksamkeit und der Empfänglichkeit für verschiedene Argumente aus einer experimentellen Perspektive, wobei Volksweisheiten und Anekdoten durch wissenschaftliche Untersuchungen ersetzt werden (MacCoun, 1989)(3). Perspektivisch betrachtet könnte eine engere Integration der Methodik der Geschworenensimulation (siehe Bornstein, 1999)(4) und der modernen experimentellen Ökonomik einen interessanten und neuartigen Ansatz zum besseren Verständnis der Geschworenenpräferenzen bieten.
Kognitive Verzerrungen/"Debiasing" (von engl. bias - Verzerrung): Eine verwandte Anwendung der experimentellen Ökonomik in der juristischen Praxis beinhaltet die Verwendung von Experimenten zur Entdeckung und Implementierung von Debiasing-Techniken, die für eine effektive rechtliche Vertretung relevant sind. Genauso wie Experimente verwendet werden können, um kognitive Verzerrungen zu entdecken, die intuitives Denken von objektiv korrekten Schlussfolgerungen ablenken (siehe z.B. Kahneman, Slovic und Tversky, 1982)(5), können Experimente auch verwendet werden, um Techniken zum "Debiasing" intuitiven Denkens zu erforschen. >Kognitive Verzerrungen/Experimentelle Ökonomik.
Vorhersage/Wahrscheinlichkeiten: Experimente von Gigerenzer und Hoffrage (1995)(6), die auf ein verbessertes Bayes'sches Schlussfolgern hinweisen, wenn Wahrscheinlichkeiten in Häufigkeitsausdrücken präsentiert werden, haben ähnlich direkte Implikationen für die Präsentation von Wahrscheinlichkeiten beim Versuch.
Beispiel: (...) wie gut können erfahrene Anwälte den Ausgang eines Prozesses vorhersagen? Empirisch gesehen, scheint die Antwort
Parisi I 97
nicht sehr gut zu sein (Goodman-Delahunty et al., 2010)(7). Das Problem ist die gleiche Verzerrung, die Prozessbeteiligte bei außergerichtlichen Einigungen befällt (Loewenstein et al., 1993(8); Babcock et al., 1995)(9). Dies ist ein potentielles Problem aus der Perspektive der Interessenvertretung eines Klienten: ein übermäßig zuversichtlicher Anwalt kann es versäumen, einen Klienten angemessen über die Schwäche eines Falles zu informieren, oder er kann die Schwäche eines bestimmten Arguments im Prozess durch selektive Blindheit gegenüber alternativen Interpretationen der Fakten übersehen. Aber auch hier kann die experimentelle Ökonomik genutzt werden, um kontextangepasste Debiasing-Techniken zu entwickeln. Unter den vielen sparsamen Debiasing-Verfahren, die im Kontext von Vergleichsverhandlungen untersucht wurden (siehe Babcock und Loewenstein, 1997)(10), scheint die Aufzählung der Schwächen des eigenen Falls im Labor am effektivsten zu sein (Babcock, Loewenstein und Issacharoff, 1997)(11).

1. Gigerenzer, G. and R. Selten, Hrsg. (2001). Bounded Rationality: The Adaptive Toolbox. Cambridge, MA: The MIT Press.
2. Devine, D. J., L. D. Clayton, B. B. Dunford, R. Seying, and J. Pryce (2000). “Jury Decision Making: 45 Years of Empirical Research on Deliberating Groups.” Psychology, Public Policy, and Law 7(3): 622–727.
3. MacCoun, R. J. (1989). “Jury Decision-Making.” Science 244(4908): 1046–1050.
4. Bornstein, B. H. (1999). “The Ecological Validity of Jury Simulations: Is the Jury Still Out?” Law and Human Behavior 23(1): 75–91.
5. Kahneman, D., P. Slovic, and A. Tversky (1982). Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases. Cambridge: Cambridge University Press.
6. Gigerenzer, G. and U. Hoffrage (1995). “How to Improve Bayesian Reasoning Without Instruction: Frequency Formats.” Psychological Review 102(4): 684–704.
7. Goodman-Delahunty, J., P. A. Granhag, M. Hartwig, and E. F. Loftus (2010). “Insightful or Wishful: Lawyers’ Ability to Predict Case Outcomes.” Psychology, Public Policy, and Law 16(2): 133–157.
8. Loewenstein, G., S. Issacharoff, C. Camerer, and L. Babcock (1993). “Self-Serving Assessments of Fairness and Pretrial Bargaining.” Journal of Legal Studies 22(1): 135–159.
9. Babcock, L., C. Camerer, G. Loewenstein, and S. Issacharoff (1995). “Biased Judgments of Fairness in Bargaining.” American Economic Review 85(5): 1337–1343.
10. Babcock, L. and G. Loewenstein (1997). “Explaining Bargaining Impasse: the Role of Self-Serving Biases.” Journal of Economic Perspectives 11(1): 109–126.
11. Babcock, L., G. Loewenstein, and S. Issacharoff (1997). “Creating Convergence: Debiasing Biased Litigants.” Law & Social Inquiry 22(4): 913–925.

Sullivan, Sean P. and Charles A. Holt. „Experimental Economics and the Law“ In: Parisi, Francesco (Hrsg.) (2017). The Oxford Handbook of Law and Economics. Bd. 1: Methodology and Concepts. NY: Oxford University Press.


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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.
Experimentelle Ökonomik

Parisi I
Francesco Parisi (Ed)
The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts New York 2017

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